Es ist still. Ich meine still, richtig still. Lautlos. Man hört nichts. Kein Rauschen. Keine Menschen. Kein Hundegebell. Stille ist unheimlich. Schwer auszuhalten. Man möchte nachsehen, ob die Welt noch steht. So richtig still ist es meistens nachts. Natürlich nur dann, wenn man nicht in einer Stadt lebt, die nie schläft. Da gibt es zumindest ein Grundrauschen (Verkehr, Autobahn), Menschen sind unterwegs, die U-Bahn fährt.
Für solche Menschen scheint es nahezu unerträglich zu sein, wenn sie nichts hören. Nichts. Deshalb gibt es auf You Tube (oder wo sonst auch immer) „brown noises“. Das hat angeblich nichts mit der Farbe Braun zu tun (ich denke sofort an eine braune Suppe), sondern geht zurück auf den bedeutenden schottischen Botaniker Robert Brown. Wikipedia:
„Im Jahr 1827 machte Brown beim Mikroskopieren seine bekannteste Entdeckung, die Brownsche Bewegung. Diese unaufhörliche und regellose Bewegung kleinster, in Flüssigkeit schwebender Teilchen wurde erst 1905 von Albert Einstein und 1906 von Marian Smoluchowski als physikalischer Prozess aufgeklärt, der auf zufälligen Häufungen molekularer Stöße aus verschiedenen Richtungen beruht.“
So.
Ich weiß nicht, ob das die Pflanzen waren, die sich da bewegt haben.
Die Geräusche hören sich an wie kontinuierlich fallender Regen oder … (selber suchen).
Wiki: „Die Brownsche Molekularbewegung entspricht zum Beispiel einem 1/f²-Rauschen. Trotzdem ist, da auch andere Arten von Rauschen mit Farben bezeichnet werden („weißes Rauschen“ oder 1/f-Rauschen als „rosa Rauschen“), auch die Bezeichnung braunes Rauschen verbreitet.
Also.
Die Spanier machen es sich einfach, wie immer. Sie übersetzen einfach „ruido marrón“ (braunes Geräusch) und schon ist Mr. Brown aus dem Spiel.
Früher hat man sich die Goldberg-Variationen angehört, wenn man sein Gehirn auf Ruhemodus stellen wollte. Ich glaube, es sind die Delta Wellen, die auf der niedrigsten Frequenz „arbeiten“, im Bereich von 0-3 Hz. Dort erreicht man den unbewussten Bereich – wie im traumlosen Tiefschlaf, wo die körperliche Regeneration stattfindet.
Heute schaltet man You Tube oder Spotify an und hört „brown noises“. Um besser zu lernen, um sich zu konzentrieren, das Baby in den Schlaf zu wiegen, zu meditieren oder um einschlafen zu können. Zadie Smith, die bekannte Schriftstellerin, benutzt angeblich brown noises zum Schreiben.
Wiki: „2007 und 2020 wurde eine positive Wirkung von Rotem Rauschen in Zusammenhang mit ADHS und Produktivität am Arbeitsplatz publiziert und wurde seit 2022 auf sozialen Medien viral verbreitet.“
Placebo-Effekt nicht ausgeschlossen. Man hört eben andere, ablenkende Geräusche nicht und der Tinnitus wird Nebensache.
Auf TikTok hat der Hashtag „brown noises“ mehr als 86 Millionen klicks.
Ich sage jetzt dazu nichts mehr. Ich lausche der Stille.
Güte ist, wenn man das leise tut, was die anderen laut sagen.
Friedl Beutelrock, wer immer das war/ist
Endlich habe ich ein Büchlein von Annie Ernaux in die Finger bekommen. 74 Seiten präzise Literatur. Das war der Anfang:
Annie Ernaux: Das andere Mädchen. Bibliothek Suhrkamp. (Aus dem Französischen von Sonja Finck)
(© 2011, Nil Ed. Paris) Erste Auflage 2022, Suhrkamp Berlin, 2022.
Ich werde weitermachen.
Habe Hoffnungen, aber niemals Erwartungen. Dann erlebst du vielleicht Wunder, aber niemals Enttäuschungen.
Franz von Assisi