Keine Lust

erstellt am: 30.09.2024 | Kategorie(n): Kurzgeschichten, Laufend |

Ich habe keine Lust, weiter über Tourismus zu schreiben. Steigende Mieten, knapper Wohnraum, überfordertes und schlecht bezahltes Servicepersonal, Selfie schießende Tourist:innen, usw.

Ich habe auch keine Lust, über die absaufenden Migrant:innen vor der kanarischen Küste zu sprechen. Sie suchen gerade nach 48 Menschen, die beim Rettungsversuch ins Meer gefallen sind. 1000 m tiefer Atlantik. Nachdem sie zwei Tage ohne Essen und Trinken auf hoher See überlebt hatten.

Ich habe auch gar keine Lust, die Nationalratswahl in Österreich zu kommentieren.

Und noch weniger habe ich Lust, an die ganzen Kriege und das Morden zu denken. Ich verstehe immer weniger, wie man einfach so in Kauf nimmt, dass (ja, seien es Terroristen) Menschen (ja, es sind Menschen) gezielt getötet werden. Ohne Gerichtsverfahren und -urteil. Und die internationale Gemeinschaft applaudiert – oder schaut zumindest tatenlos zu.

Wien Museum, 
körperlicher Verschleiß der Soldaten

Aus den 100 Psychotherapie-Sätzen („Die Zeit“, bereits erwähnt):
„Lästige Gedanken können Sie genauso verjagen wie lästige Fliegen.“

Der Sessel.

Ich habe mich hier wohlgefühlt. Ich weiß noch, wie stolz ich darauf war, einen so ausgefallenen Leoparden-Sessel gefunden zu haben. Er war mein Lieblingsplatz. In ihm habe ich viele Stunden verbracht. Manchmal mit Fernsehen. Ein andermal mit Lesen. Oder einfach nur mit Dösen. Sitzen und entspannen. Die Schuhe habe ich ausgezogen, ein kleiner Schemel diente als Ablage.

Ab und zu bekam ich Besuch. Dann machten wir es uns gemeinsam gemütlich. Bei einem Gläschen. Doch nach und nach nahmen die Besuche ab. Manche zogen weg, andere gingen einfach nicht mehr aus dem Haus – zu bequem, zu ängstlich, zu alt. Die Knie machten nicht mehr mit, das Kreuz tat weh. Alles zu anstrengend. Und worüber sollte man sich unterhalten? Es passierte ja nichts. Einige verabschiedeten sich von dieser Welt. Manche hinterließen eine Lücke. Diese Lücken wuchsen wie meine Gedächtnislücken. Lesen? Ach, ich sehe ja nicht mehr gut. Fernsehen? Nee, es gibt meist nichts Interessantes. Spazierengehen? Wohin denn. Die Wanderschuhe stehen parat. Als Zeugen vergangener Tage. Und Autofahren – zu anstrengend.

Also saß ich da. Und saß. Saß und wartete. Worauf? Keine Ahnung. Auf ein Wunder. Auf Besuch. Auf das Ende. Ich verschmolz langsam mit meinem Sessel. Die Gedanken kreisten und kreisten. Der Kreislauf. Dann schloss sich der Kreis. Greis.

(Ende der Geschichte. Die Auflösung folgt demnächst …)

Jetzt ist aber Zeit für ein Donnerwetter

https://www.youtube.com/watch?v=JWRlTezTF2k

Noch ein paar Kalendersprüche (heißt: mir fällt wirklich nichts ein).

Die Wirklichkeit ist immer noch fantastischer als alle Fantasie. Wolf Biermann

Das Leben ist eine Nuss. Sie lässt sich zwischen zwei weichen Kissen nicht knacken. Arthur Miller

Freundschaft, das ist wie Heimat. Kurt Tucholsky