Das einfache Leben

erstellt am: 30.08.2022 | Kategorie(n): Aktuelles, Kurzgeschichten, Natur |

Die Sehnsucht nach dem einfachen Leben.

Das einfache Leben. Wie man sich das so vorstellt. Man sitzt irgendwo auf dem Land. Und alles wird einfach. Einfach so. Man fährt die Energie herunter, hat keine Termine, muss nirgendwohin. Man genießt die vermeintliche Natur, die weite Sicht, Sonnenauf- und untergänge, geht spazieren, was auch immer. Ja, man genießt sogar den fehlenden Luxus „Ich brauche nichts!“, keine Klimaanlage, keine Luxus-Kaffeemaschine, keine Putzfrau (naja, da wird’s vielleicht schon schwieriger). Hängt alles davon ab, wie lange man bleibt.

Kurze Ausflüge in das einfache Leben sind schön. Längere Ausflüge werden schon komplizierter. „Hier gibt’s ja gar nichts“. Und sollte man sich langfristig, ganz, für das „einfache Leben“ entscheiden, stellt man fest, dass das einfache Leben weder einfach noch leicht ist. Sondern sehr aufwändig, zäh und herausfordernd. Nur weil man im Supermarkt nicht aus 100 Joghurts auswählen kann/muss, wird das Leben nicht einfacher. Oder zumindest nicht viel. Diese Erkenntnis stellt sich jedoch erst nach geraumer Zeit ein.

Die zweite Seite der Medaille sieht man erst, wenn man sie umdreht. Das kann eine Weile dauern, weil man sich an der glänzenden Seite vorerst nicht sattsehen kann. Doch dann passiert es. Und man bemerkt es. Da ist noch was. Und besser: Da ist nichts. Keine U-Bahn, die alle paar Minuten fährt. Kein Supermarkt am Eck. Keine Konditorei, keine frischen Brötchen in der Früh. Keine Post, keine Bank, kein Kino, kein Theater. Wenn man besonderes Pech hat, kein WLAN. Keine Radwege.

Ja, man hat etwas eingetauscht. Die Hektik gegen die Langsamkeit (manchmal seeeehhhr langsam, alles). Die Überforderung gegen die Suche nach Anregungen. Die Freunde gegen Menschen, die anders ticken als man selbst. Die Oberflächlichkeit der Begegnungen weicht der Notwendigkeit zur Kommunikation.

Das neueste „Werk“ ist fertig …

Im einfachen Leben, weg von der Stadt, ist der Schlüssel zum Überleben das Sprechen. „Im Reden kommen die Leut’  z’amm“. Es sei denn, man ist Eremit oder soooo weit weg, dass man keine Menschenseele trifft – unwahrscheinlich. Es ist unabdingbar, mit den Leuten zu sprechen, die dort schon lange wohnen. Und nicht nur mit den „Zugereisten“, den „Stadtflüchtlingen“, mit denen, die so drauf sind wie wir.

Und dann wühlt man sich durch die Vorurteile, Gerüchte, durch die skeptischen Blicke. Seltsamerweise leben an den idyllischsten Orten die merkwürdigsten Menschen mit den seltsamsten Ansichten. Je nachdem, wo man gelandet ist – und ob Berge rundherum sind – hat man vielleicht Glück und findet ein paar offene Gemüter, die einem weiterhelfen. Hat man mal angedockt, geht es nach und nach voran. Und ja, tatsächlich: Die Eingeborenen werden freundlicher, teils richtig herzlich, lächeln. In  bestimmten Gegenden lebt noch die alte Tradition, dass sich die Leute auf der Straße grüßen. Ohne Grund! Niemand vermutet etwas dahiner … Man bleibt sogar stehen und wechselt ein paar sinnlose Worte.

Das benötigt allerdings Zeit. Eine Menge Zeit. Und Geduld. Viel Geduld. Dann kann es passieren, dass der Handwerker für eine Kleinigkeit kein Geld will, man in der Kneipe eine Tüte/Sackerl Pflaumen geschenkt bekommt oder beim Spazierengehen vom Weinbergbesitzer auf ein Glas eingeladen wird. Es passiert das, was wir vielleicht früher als normal angesehen hätten. Die Menschen sind menschlicher (ich hätte nicht gedacht, dass dieser Satz irgendwann mal einen Sinn ergibt).

Und ja – das wiegt alles auf, was manche vielleicht als Mangel empfinden. Wir sehen das, was da ist und nicht das, was wir nicht haben (können). Die Schönheit der kleinen Dinge, die Schätze, die vor unseren Füßen liegen. Wie immer sie aussehen mögen. Und den Achtsamkeitskurs schenken wir uns.
ZP Juli/August 2022

Zitat dazu von Klaus Löwitsch:
Zum Glück gehört, dass man irgendwann beschließt, zufrieden zu sein.

Und noch eins, von Joan Collins (!):
Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus.

Und was die Kommunikation angeht, wusste schon Wilhelm von Humboldt:
Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.
Verbinden wir uns. Anstatt uns zu bekriegen.