Es ist nicht alles a …

Naja, natürlich kann man schlechte Laune mit sich herumtragen. Verständlich.
Kommentar aus der ZEIT
(Psychotherapie: „Seien Sie glücklich, und enttäuschen Sie Ihre Eltern“ | ZEITmagazin):
Einfach mal sein lassen.
oder
Es wird nie wieder gut und das muss es auch nicht.

Was soll man sagen …

Ich hatte jetzt ein bisschen Zeit zum Lesen. Leider auch die Zeitungen. Kardinalfehler.

Die Bücher waren okay, aber keines hat mich vom Hocker gehauen. (Wolf Haas, Wackelkontakt, okay; Hape Kerkeling, Gebt mir etwas Zeit, nagut; Martin Suter, Allmen und die Erotik, nett; Mieze Medusa, Was über Frauen geredet wird, eh schon wissen.) Aber ein Buch hat mich dann doch begeistert. Inhaltlich, formal und sprachlich: Jenny Offill, „Amt für Mutmaßungen“, Roman, 161 luftige Seiten (aus dem Englischen von Melanie Walz), Penguin Verlag, 1. Auflage 2017, Deutsche Verlagsanstalt Mchn. © 2014

Und ich habe keine Ahnung, wie dieses Buch zu mir gefunden hat. Ich hatte es plötzlich in der Hand (war am Entrümpeln). Es handelt einfach vom Leben. Von Beziehungen. Von Sichtweisen. Von Menschen. Der Plot ist nicht so wichtig … Hat mich ein wenig an Annie Ernaux erinnert. Genau beobachtet, nicht geradlinig erzählt, erzeugt mit wenigen Worten dichte Stimmungen. Und hat Witz.

Auf Seite 14 findet sich folgender Absatz:
„Ich hatte beschlossen, nie zu heiraten. Stattdessen wollte ich ein Kunstegomane werden. Frauen werden so etwas fast nie, weil solche Ungeheuer sich nur mit Kunst beschäftigen und nicht mit Alltagsdingen. Nabokov hat nicht einmal seinen Regenschirm zugemacht. Vera hat für ihn die Briefmarken geleckt.“

Anmerkung: Ob das geklappt hat mit dem Kunstegomanen müsst ihr selbst herausfinden.

Was besteht denn noch in unserer Zeit?

Ich komme mir idiotisch vor, irgendwelche Lallergeschichten ins Netz zu stellen, während ganze Landstriche entvölkert werden und den Menschen rundherum Bomben auf den Kopf fallen. Aber was soll ich tun? Kleinklein vor mich hindenken.

Hier eine Kostprobe:

BELLO

Als Kind, so mit 3, 4, hatte ich eine „blühende Phanstasie“ – wie man so schön sagt.
Und einen Hund. Der Hund hieß Bello, was wohl weniger auf den Namen „der Schönling“ hindeutete als vielmehr dem Geräusch geschuldet war, das Hunde für gewöhnlich von sich geben. Bello bellte aber nicht, er war eher still – im Gegensatz zu mir, die ich ständig auf ihn einredete, ihm Kommandos gab oder Geschichten erzählte, die er mit stoischem Schweigen quittierte. Er folgte mir auf Schritt und Tritt an seinem Band, ab und zu quietschte er oder hüpfte auf und ab.

Bello begleitete mich durch meine kleine Welt, in der die Blumen blühten und die Karotten aus dem Boden lugten. Unser Garten. Alles ohne die Gefahr, dass Bello eine Katze anknurrte, seinen Weg markierte oder gar sein „Geschäft“ hinterließ. Er war gut erzogen. Wir verbrachten Stunden um Stunden im Freien, wanderten vom Gemüsebeet zum Rasen, von einem Blümchen zum nächsten, zum Obstbaum und zurück. Ein Paradies.

Wenn ich Appetit bekam, zog ich eine Karotte aus der Erde oder steckte mir ein paar Erbsen in den Mund. Alles bio. Automatisch. Bello aß nichts.

Ich hatte alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Frische Luft, Auslauf, Essen, Pflanzen und ein Tier. Ich passte auf Bello auf so gut ich konnte. Er schien sehr flexibel und robust, machte alles mit, hatte aber auch seine empfindliche Seite. Eine falsche Bewegung – und Bello war nicht mehr. Bello war ein Luftballon.

Es ist zum Wegrennen. War es früher wohl auch schon …

Schwierig

Schwierig, so zu schreiben. Geduld!

Der Daumen muss sich erholen.

Was zum Aufmuntern.

Besser nicht wundern …

Sprezzatura. Nie gehört. Jetzt lese ich, dass der sehr geschätzte Richard Sennett es offensichtlich in seinem (neuen?) Buch verwendet. Was es bedeutet?  Laut ZEIT online, vereinfacht gesagt: die Fähigkeit, das Schwere mühelos und elegant aussehen zu lassen.
Ich dachte bisher immer, das sei ein Euphemismus (naja, nicht ganz …). Das wäre, miese Sachen schön umschreiben. Habe ich auch versucht:

Was man so alles wegwirft … (© Helga Zimmer-Pietz, leider schlechte Fotos)

Müll

Keine Ausrede gibt es dafür, dass jedes Jahr 8 Mio. (!) Tonnen Plastik im Meer landen.
(El Pais Semanal 27.10.24). Dort steht beispielsweise, dass – neben größerem Plastik, das sich in kleine Teile zerlegt, auch ganz feines Mikroplastik ins Wasser kommt, z.B. vom Abrieb der Wäsche. Beim Waschen lösen sich minimini Kunstfasern, die ins Meer gespült werden. Ein Plastikkleidungsstück kann bis zu 2.000 Fasern auslassen, bei jedem Waschgang.
Dann findet man noch viel Reifenabrieb der Autos oder die Fassadenfarbe der Gebäude aus den Städten. Außerdem taucht seit neuestem immer mehr Mikroplastik von Kunstrasen auf, die auf Flüssen ins Meer schwimmen.

Naja, weder Rasen, noch Kunst …

Buch-Tipp

Kurt Palm: Trockenes Feld. Roman, 302 Seiten. Leykam Verlag, Graz, Wien, Berlin 2024

Als Kurt-Palm-Fan musste ich das natürlich gleich haben. Und ich muss sagen: gefällt mir. Als Flüchtlingskind findet man nicht nur viele Parallelen in den Lebensläufen, sondern auch interessante historische Bezüge, die mir bislang entgangen waren.
Zum Beispiel sowas (Zitat):
„Als der Ustascha-Führer Ante Pavelic 1941 mit Hitlers Unterstützung den Unabhängigen Staat Kroatien ausrief, übernahm der Tod das Kommando und der Krieg führte schließlich dazu, dass die Felder in Suhopolje erneut vertrockneten und den Bewohnerinnen und Bewohnern ihre Existenzgrundlage entzogen wurde.“
Und ich glaube, es geht vielen aus seiner Generation ähnlich (wie folgt, Zitat):
„… meine Eltern, deren Herkunft mir gleichgültig war. Zum anderen hatte ich nie das Bedürfnis, mehr über ihr Leben zu erfahren, das sie im ehemaligen Jugoslawien geführt hatten. Dass aber nicht nur bestimmte Verhaltensmuster, sondern auch Traumata von Generation zu Generation weitergegeben werden können, konnte ich nicht wissen. Woher auch?“

Da merkt man erst, in welchen „aufgeklärten“ Zeiten wir leben – bei gleichzeitig vermehrter Dummheit. Die „Vertriebenen“ hatten auch damals dort, wo sie gelandet waren, einen schweren Stand und mussten sich langsam ihren Platz in der Gesellschaft erarbeiten. Da kann man erahnen, wie es heutigen Migrant:innen geht, die NICHT unsere Sprache sprechen …

Küchen-Psychologie

Noch ein kleiner Psychotherapie-Spruch aus dem Fundus:

Der goldene Käfig der Selbstbezogenheit kann mitunter ziemlich klein sein.“
Aus: „Seien Sie glücklich, und enttäuschen Sie Ihre Eltern“ | ZEITmagazin

Des Rätsels Lösung

Im September gab es einen Textbeitrag DER SESSEL.
Ich hatte versprochen, das Rätsel zu lösen, was es damit auf sich hat.
Jetzt ist es soweit: Das sind die dazugehörigen Bilder.
Sie zeigen den Blick durch ein Fenster eines verlassenen Hauses,
man sieht einen zerschlissenen Sessel und daneben ein Paar Schuhe.

45×55 cm, Öl auf Leinwand. © Helga Zimmer-Pietz
„Es ist nicht wichtig, was du betrachtest, sondern was du siehst.“ Zitat von Henry David Thoreau

Literatur-Tipp

Ja, ich habe mal wieder was gelesen. Ist mir zugelaufen. Kannte die Autorin nicht, muss die vorherigen Bücher nachlesen … Aber das hat mich begeistert:
Dörte Hansen: Zur See. Roman 255 Seiten; Penguin Verlag München, 2. Auflage © 2022

Handelt von der Familie Sander: ein Ehemann, der ausgestiegen ist und in einem Vogelhaus wohnt, eine Mutter, die hinter dem Knochenzaun Feriengäste bewirtet und alles zusammenhalten will, zwei unterschiedliche Söhne, einer Künstler und der andere gescheiterter Kapitän sowie eine lesbische Tochter, die im Altenheim arbeitet. Alles auf einer kleinen Nordseeinsel.

Man erfährt (so nebenbei), wie der Tourismus das Leben auf einer kleinen Insel verändert – die Natur, die Arbeit, die Gewohnheiten, die Menschen. Und wie sich die Familie Sander entwickelt (Überraschung). Ich mag ja keine Metaphern, aber wie Dörte Hansen sie einsetzt und erfindet, ist großartig.

Textbeispiel: „Es ist ihm unbegreiflich, wie man die Asche seiner Toten in die Nordsee kippen kann. Und ihnen dann auch noch, wie einen Witz von Rettungsring, so einen Kranz nachwerfen. Dass das der letzte Wille eines Menschen sein soll: als Asche von der See verschluckt zu werden, in Wasser aufgelöst wie eine Schmerztablette.“ S. 71

oder: „Hanne war klar, dass er tatsächlich ausgezogen war. Er kam nur noch nach Hause, um die Waschmaschine und das Badezimmer zu benutzen, manchmal aßen sie dann noch zusammen. Erst zieht der Mann in eine Vogelhütte, dann zieht der Sohn in einen Schuppen. So viel zum Thema Wunschkind und Versöhnung.“ S. 84

(schöne Umschreibung für Halloween): „Am Tag vor Allerheiligen, als es schon dämmerte, sah er den Sensenmann vor seiner Tür. Er war noch klein und klopfte an, und neben ihm stand eine Frau mit Hexenhut und einem Spinnennetz, das ihr Gesicht bedeckte. Sie wollten Süßes oder Saures.“ S. 96

(Es gibt auch einen Inselpastor): „Zum Beispiel, dass man das nicht will, Besuch von seiner Frau, mal ein paar schöne Tage miteinander. Dass man kein Mann sein will, der in ein leeres Haus kommt und sich fühlt wie eine Minusrechnung: Familienvater abzüglich Familie. Paar weniger Frau.“ S. 120

Na, und so weiter … müsst ihr selbst lesen, wenn ihr wollt. Mir hat´s gefallen.

Ein Motto für 2025???

Oder doch lieber ein Spruch der Psychologen? Hatte ich den schonmal?
„Geben Sie sich Zeit. Eine Blume wächst nicht schneller, wenn man an ihr zieht.“
Aus: „Seien Sie glücklich, und enttäuschen Sie Ihre Eltern“ | ZEITmagazin

Ein frohes Neues!

Ich mache keinen Jahresrückblick. Und gebe auch keine Prognosen ab.
Ich mache einfach weiter … Zum Beispiel mit Kafka.

Was treibt Kafka in der Nacht?

Zuerst dachte ich es regnet. Ich schlief bei offenem Fenster, das Geräusch weckte mich. Tik, tik, kleine, stichelnde Tropfen. Ich lauschte, irgendetwas stimmte nicht. Das ist kein Regen. Das Geräusch ist im Zimmer, kommt nicht von draußen. Ich versuchte, genauer hinzuhören, das Geräusch zu orten. Was ist da los? Mein Wecker konnte es nicht sein, das kannte ich. Geräuschlose Wecker haben die Angewohnheit, nach Ablauf der Garantie unorthodoxe Geräusche von sich zu geben. Das war es nicht. Es war weiter weg. Ein kleines, scharfes Kratzen. So, als würde jemand irgendetwas ankratzen. Aber wer? War ein Tier in meinem Schlafzimmer? Welches? Und wo? Ein Gecko macht keine solchen Geräusche, der verhält sich in der Regel still. Es sei denn er schmatzt oder lässt sich auf den Boden klatschen. Wie das klingt, kenne ich.

Ich hatte mal eine Ratte hinter dem Kleiderschrank, von einer Katze in meine Wohnung gejagt. Sie hat versucht ein Nest zu bauen und entsprechendes Material hinter den Kasten geschleppt, Plastik zerbissen. Diesmal war es so ähnlich, aber viel subtiler, leiser. Hatte ich eine Maus im Haus? Ich konnte nicht mehr schlafen, war aber auch nicht hellwach. Da spinnt sich das Gehirn einiges zusammen. Ich stellte die Ohren auf. Das Kratzen schien aus der Wand zu kommen. Eine Maus hängt doch nicht an der Wand! Ich versuchte es mit Ignorieren. Alles nur Einbildung, was soll das sein, versuch´ zu schlafen. Keine Chance.

Ich habe einen Kafka. Nicht das Buch (obwohl – ich habe die gesammelten Werke von Kafka, den einzigen Schriftsteller, den ich komplett gelesen habe). Es ist ein Druck. Eine Grafik von Horst Janssen mit seiner Unterschrift. Ich weiß garnicht, ob das eine Radierung ist/war im Original. Er hat ja gegen Ende seiner Lebenszeit den Markt überschwemmt mit seinen Zeichnungen, alle signiert. Vermutlich brauchte er Geld (nach seinem Unfall). Gut, aber zurück zu Kafka. Sein Portrait hängt (warum eigentlich?) bei mir im Schlafzimmer, direkt am Eingang, neben dem Lichtschalter. Und genau da her kam das Geräusch. Ist Kafka jetzt übergeschnappt? Will er hier raus? Oder lebt er neuerdings mit einem Tier zusammen? Ich grübelte im Halbschlaf. Keine Lösung in Sicht. Schließlich erhob ich mich, ging im Dunkeln zur Tür, hängte das Bild ab. Und Ruhe.

Merkwürdige Moden

Wissen eigentlich die (naja, viele, manche) Fußballer, dass sie die Frisur eines
Diktators tragen? Und die Jugendlichen gleich mit … Lesen die Zeitung? Vermutlich nicht.
Sonst hätten sie vielleicht folgendes Foto entdeckt. Credit: V.Smirnov (EFE), aus der El País.

Ich hoffe nicht, dass das die Tendenz markiert für die nächsten Jahre …
Deshalb schicke ich gleich nochwas Fröhliches hinterher. Wir tanzen
mittwochs Lindy Hop. Lustig. Wir kommen über den Grundschritt nicht
hinaus, macht aber trotzdem Spaß. Aussehen könnte es auch so:

Ich wünsche entspannte Weihnachtsfeiertage (schon ein Widerspruch in sich 😉

Kann man Zeit überspringen?

Mir fehlt ein Monat. Dabei kommt jetzt erst die Zeit, die ich gerne überspringen würde.
Weihnachten. Und Sylvester gleich dazu.

Was macht man da? Man überbrückt die Zeit mit guter Laune. Es gibt drei Chicos aus El Hierro,
Bejo, Don Patricio, Uge („LocoPlaya“), die ein (meiner Meinung nach) lustiges Video aufgenommen
haben:
https://www.youtube.com/watch?v=ZeygrTGsh8w&list=RDEMiUGSEnGQSRbNMz62ir5LUw&index=17

Das heißt doch Helga …

Aus den 100 Psychotherapie-Sätzen („Die Zeit“, bereits erwähnt):
„Geben Sie sich Zeit. Eine Blume wächst nicht schneller, wenn man an ihr zieht.“

Und seid nett zueinander …

Keine Lust

Ich habe keine Lust, weiter über Tourismus zu schreiben. Steigende Mieten, knapper Wohnraum, überfordertes und schlecht bezahltes Servicepersonal, Selfie schießende Tourist:innen, usw.

Ich habe auch keine Lust, über die absaufenden Migrant:innen vor der kanarischen Küste zu sprechen. Sie suchen gerade nach 48 Menschen, die beim Rettungsversuch ins Meer gefallen sind. 1000 m tiefer Atlantik. Nachdem sie zwei Tage ohne Essen und Trinken auf hoher See überlebt hatten.

Ich habe auch gar keine Lust, die Nationalratswahl in Österreich zu kommentieren.

Und noch weniger habe ich Lust, an die ganzen Kriege und das Morden zu denken. Ich verstehe immer weniger, wie man einfach so in Kauf nimmt, dass (ja, seien es Terroristen) Menschen (ja, es sind Menschen) gezielt getötet werden. Ohne Gerichtsverfahren und -urteil. Und die internationale Gemeinschaft applaudiert – oder schaut zumindest tatenlos zu.

Wien Museum, 
körperlicher Verschleiß der Soldaten

Aus den 100 Psychotherapie-Sätzen („Die Zeit“, bereits erwähnt):
„Lästige Gedanken können Sie genauso verjagen wie lästige Fliegen.“

Der Sessel.

Ich habe mich hier wohlgefühlt. Ich weiß noch, wie stolz ich darauf war, einen so ausgefallenen Leoparden-Sessel gefunden zu haben. Er war mein Lieblingsplatz. In ihm habe ich viele Stunden verbracht. Manchmal mit Fernsehen. Ein andermal mit Lesen. Oder einfach nur mit Dösen. Sitzen und entspannen. Die Schuhe habe ich ausgezogen, ein kleiner Schemel diente als Ablage.

Ab und zu bekam ich Besuch. Dann machten wir es uns gemeinsam gemütlich. Bei einem Gläschen. Doch nach und nach nahmen die Besuche ab. Manche zogen weg, andere gingen einfach nicht mehr aus dem Haus – zu bequem, zu ängstlich, zu alt. Die Knie machten nicht mehr mit, das Kreuz tat weh. Alles zu anstrengend. Und worüber sollte man sich unterhalten? Es passierte ja nichts. Einige verabschiedeten sich von dieser Welt. Manche hinterließen eine Lücke. Diese Lücken wuchsen wie meine Gedächtnislücken. Lesen? Ach, ich sehe ja nicht mehr gut. Fernsehen? Nee, es gibt meist nichts Interessantes. Spazierengehen? Wohin denn. Die Wanderschuhe stehen parat. Als Zeugen vergangener Tage. Und Autofahren – zu anstrengend.

Also saß ich da. Und saß. Saß und wartete. Worauf? Keine Ahnung. Auf ein Wunder. Auf Besuch. Auf das Ende. Ich verschmolz langsam mit meinem Sessel. Die Gedanken kreisten und kreisten. Der Kreislauf. Dann schloss sich der Kreis. Greis.

(Ende der Geschichte. Die Auflösung folgt demnächst …)

Jetzt ist aber Zeit für ein Donnerwetter

https://www.youtube.com/watch?v=JWRlTezTF2k

Noch ein paar Kalendersprüche (heißt: mir fällt wirklich nichts ein).

Die Wirklichkeit ist immer noch fantastischer als alle Fantasie. Wolf Biermann

Das Leben ist eine Nuss. Sie lässt sich zwischen zwei weichen Kissen nicht knacken. Arthur Miller

Freundschaft, das ist wie Heimat. Kurt Tucholsky

Massentauglich?

Alle reden über Tourismus.

Wien ist voller Touristen. Bestimmte Lokale vergeben „time-slots“. Je nach Konsumation läuft die Zeit ab und dann wird man hinausgeworfen. Time out. Der Nächste, bitte! Die Zeiten, wo man im Kaffeehaus drei Stunden bei einem kleinen Braunen sitzen konnte und die internationalen Zeitungen studieren, sind wohl vorbei. (Nagut, nicht überall). Vor dem Café Central stehen stetig lange Schlangen. Was steht da in den Reiseführern, dass JEDE/R da rein muss? (Ach, bin ich blöd, nicht Reiseführer, Instagram!). Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, wie die BesucherInnen abgefertigt werden. Gemütlich kann das nicht sein. Die meisten Länder kennen ja Gemütlichkeit nicht (nichtmal das Wort). Und bei uns geht dieses spezielle Lebensgefühl gerade flöten.

Geht man in ein Geschäft (ich war in einer Parfümerie im 4.), wird man auf Englisch angesprochen (wie übrigens fast überall in Berlin, vor allem in den Kneipen/Restaurants). Die Verkäuferin war aber sehr erleichtert, als ich ihr auf Deutsch antwortete. Tourismus kann auch anstrengend sein.

Wie ist das? Gehen dann die „Einheimischen“ (wie das klingt) weniger aus? Oder nur in die Randbezirke? Es wird zudem alles teurer. Durch die Medien geistert öfter das Wort „Tourismus-Phobie“. Vor allem in Mallorca stinkt es den Menschen, die dort leben, dass alles teurer wird, die Wohnungen nur noch zu horrenden Preisen kurzfristig an Urlauber vergeben werden und alles überall überfüllt ist. Übertreibung?

Man beugt Missverständnissen vor

Spanien meldet einen Besucherrekord nach dem anderen.

Die Daten. Auf den Balearen sind die Mietpreise von 2011 bis 2024 um 100% (!) gestiegen. Heißt: die Mieten haben sich verdoppelt. (Bitte mal selbst auf die eigene Miete anwenden, sofern man zur Miete wohnt). In Madrid 40%, in Malaga 60% (El País 28.7.24). Der Quadratmeterpreis für Wohnungen in Malaga ist von € 1.515 im Juli 2014 auf € 3.016 Euro im Juni 2024 gestiegen (113%). Angeblich haben zwischen 2015 und 2020 über 36.000 Personen unter 40 Jahren Malaga verlassen. Weil sie sich die Stadt nicht mehr leisten konnten. (?) Fast die Hälfte des Einkommens geht für die Miete drauf. Dafür gibt es über 12.000 Ferienwohnungen, sogenannte viviendas vacacionales – für Touristen.

Im El País Semanal (28.7.24) wird ein Beispiel angeführt. 2014 machte Javier Serrano, ein Fotograph aus dem Baskenland, ein Foto von einem idyllischen, verlassenen Strand auf Mallorca, Caló d’es Moro. Weißer Sand, türkises Wasser, Felsen. 2018 lud er das Foto auf Instagram hoch unter dem Namen Yosigo. 2020 kam eine Ausstellung in Südkorea dazu, weitere „influencer“, die Sache bekommt Dynamik im Internet. Heute pilgern Touristen aus aller Welt an diesen mittlerweile überfüllten Strand, um ein Foto zu machen.

2023 kamen 85 Millionen internationale Touristen nach Spanien. 2 Millionen mehr als vor der Pandemie, 2019. Dieses Jahr rechnet man mit 90 Millionen. Das ist doppelt soviel wie Spanien Einwohner hat. Nur von Januar bis Mai ist die Ziffer um 11,5% gestiegen. Aber nicht nur die Besucher werden mehr, auch die täglichen Ausgaben der Touristen steigen (8,6%). Das liegt u.a. an den gestiegenen Preisen. Ein Artikel im Wirtschaftsteil der El País (4.8.24) erklärt das so: 1. konnten die Leute in der Pandemie kein Geld ausgeben, haben also was gespart und 2.  glauben viele, die „verlorene“ Zeit/den entgangenen Urlaub nachholen zu müssen. Reisen/Urlaub habe eine andere Priorität gewonnen – es werde lieber auf andere Dinge (Kleidung?) verzichtet …

Wo ist die Grenze für den Massentourismus? Einmal sind da die Auslastungen der Hotels, der Unterkünfte und die Kapazitäten der (vor allem) Flughäfen. In manchen Gegenden kollabiert der öffentliche Verkehr (Busse in Mallorca oder auf den Kanaren sind chronisch überfüllt) und zum anderen der Unmut der Menschen, die in Tourismus Hotspots leben. In Barcelona will man die Ferienwohnungen verbieten, woanders führt man Tourismussteuern ein.

Außerdem wird der Tourismus zunehmend unabhängig von der Jahreszeit (entsaisonalisiert). Das hängt auch mit dem Klimawandel zusammen. Regionen, die früher nicht attraktiv erschienen wegen des „schlechten Wetters“, werden jetzt plötzlich interessant (zum Abkühlen).

Und dann die Migration …

Kaum landet ein Flüchtlingsboot in Lampedusa, wird das in den Medien gemeldet. Auf den Kanaren sind zwischen 1. Januar und 15. Juli 2024 genau 19.793 Migranten „angeschwemmt“ worden, 160% mehr als im Vorjahreszeitraum. Davon spricht niemand. Ich möchte nicht wissen, wie hoch die Ziffer derjenigen ist, die es nicht bis auf die Inseln geschafft haben.

Neulich (7.8.24) gab´s die Nachricht, dass in der Dominikanischen Republik ein Flüchtlingsboot mit 14 halbverwesten Leichen anlandete. Migranten aus Somalia und Mali, die mindestens fünf Monate unterwegs waren (also, das Boot). Kein Sprit, nichts zu essen, nichts zu trinken. Wenn sie die letzte kleine Kanareninsel (El Hierro) verpassen, war´s das (wenn sie nicht entdeckt und gerettet werden). Sie starten meist in Mauretanien und werden von den Schleppern nur mit dem Nötigsten ausgestattet.

Solche Fotos schaffen es auf die Titelseite der El País.
Die Kanaren streiten mittlerweile mit dem Festland und der EU, wer die 5.000 unbegleiteten Minderjährigen, die nicht zurückgeschickt werden dürfen, betreuen soll. Großes Politikum.

Trotzdem:

Lachen ist eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit.

Aristoteles

Buch-Tipp

Wilhelm Genazino. Bei Regen im Saal. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2014. 158 Seiten.

Manchmal liegen Bücher so herum und warten auf den richtigen Zeitpunkt. Ich bin großer Fan von Wilhelm Genazino und trotzdem war das kleine Büchlein lange in der Warteschleife. Jetzt habe ich es endlich gelesen. Bei Regen im Saal. Ist aus 2014 (2018 ist er gestorben). Es gibt niemanden, der Alltäglichkeiten in so geschliffene Sätze packen kann. Man denkt, es geht um nichts und merkt dann, dass es eigentlich um tiefgreifende Themen geht. Verwahrlosung (geistige und körperliche), gesellschaftliche Anerkennung (Äußerlichkeiten), berufliche Karrierechancen-/wünsche (muss ich was werden?), Beziehungen zwischen Mann und Frau, Altern, Verfall.

Ich weiß nicht, wann er das geschrieben hat, aber 2014 war er 75. Der Protagonist (übrigens „Überwinder“) ist Mitte 40 oder so … Man merkt aber die Perspektive des (wirklich?) alten G.
Ich muss zwar immer wieder lachen über seine Gedanken und die Lektüre ist anregend, aber als Stimmungsaufheller kann man sie nicht verwenden.

Beispiele:

„Ich wollte über nichts nachdenken, machte mir aber trotzdem Gedanken, warum mir Gelassenheit manchmal gelang und manchmal nicht.“ S. 5

„Ich fühlte mich allmählich alt und zunehmend unfähig, meine Probleme zu lösen. Ich nannte sie meine sogenannten Probleme, um über sie besser lachen zu können. Ich wollte meine sogenannten Probleme nicht einmal mehr untersuchen.“ S. 33

„Beatrix kannte ich aus der Zeit, als Frauenretten noch eines meiner Hobbys war.“ S. 34

„Nächste Woche würde ich die Dame treffen, die ich im Theater kennengelernt hatte. Sie hatte mir gestanden, dass sie an Kultursucht litt. (…) Die Dame war vermutlich ein harter Fall wie die meisten, die mit Kultur zusammenhingen.“ S. 47 f

TaBu.

Am 12. Juli war ein Artikel in der ZEIT (online) mit 100 Sätzen, die Klienten aus der Psychotherapie „mitgenommen“ haben. Einer davon: „Depressionen sind der Dank für jahrelanges Artigsein.“
Man könnte alle zitieren. Ist schon die halbe Therapie …

„What can you paint that isn´t ridiculous from the outset?”
Übersetzt mit: Was kann man schon malen, das nicht von vorneherein lächerlich ist?
Roy Lichtenstein

Punkte. Lächerlich? Eben.

TaBu. Tagebuch.

Ist es interessant zu wissen, was man vor 10 oder 20 Jahren gedacht hat?
Wikipedia sagt:
„In einem Tagebuch werden Erlebnisse, eigene Aktivitäten, aber auch Stimmungen und Gefühle aufgezeichnet. Es ist ein Medium der Selbstvergewisserung und zeichnet sich durch einen hohen Grad an Subjektivität aus. Die Bewertung von Ereignissen und Gedanken ist oft unsicher; häufig klärt sie sich erst auf längere Sicht.“

Selbstvergewisserung also. Insofern interessant. Manchmal bedauere ich es, dass ich nicht ein regelmäßiger Tagebuchschreiber bin. Bei mir heißt die Abkürzung für Tagebuch TaBu. Und wenn ich einen alten Text ausgrabe, wundere ich mich, was ich „damals“ gedacht oder gefühlt habe. War ich dieselbe Person? Bin das ich? Muss man sich ständig selbst vergewissern, dass ich ICH bin? Sind wir zu selbstreflexiv? (Es gäbe so viel anderes zu tun …)

Wiki weiter:

„Studien haben gezeigt, dass das Schreiben von Tagebüchern einen heilenden Effekt haben kann, besonders bei der Verarbeitung negativer Erfahrungen. Dies wird durch das Freigeben verborgener Gefühle bewirkt oder indem der Schreiber eine andere Perspektive zu dem Problem einnimmt. Das Tagebuchschreiben wird auch als therapeutische Methode eingesetzt (Schreiben als Therapie, Poesietherapie).“

Ich habe folgende Aufzeichnung gefunden, 13 Jahre alt. TaBu.
Thema Bügelbrett. Subthema Auswandern. Oder Kunsumverhalten?

Das Bügelbrett

Ich werde meine Bügelbrett-Misere beenden, habe ich beschlossen. Kurzerhand in Teneriffa. Ich habe in Wien ein miserables Bügelbrett, billig, geflickt, das in die Blusen Kreise einbügelt (vom Flicken) und hier in La Gomera ein Bügelbrett, wo man auch sofort auf dem Metallraster herumbügelt, beim Hochschieben sich die Stoffe aufreißt und beim schwungvollen Bügeln das ganze Brett zu Fall bringt, inklusive Bügeleisen, das jetzt irgendwie in Kleinteile zersplittert ist. Jetzt ist Schluss damit. Ich will endlich bügeln mit Spaß.

Auf der anderen Seite bin ich immer (und war es immer) zu geizig, teures, hart verdientes Geld für so einen Unfug wie Bügeln auszugeben. Heute kosten ja die High-Tec-Bretter 1.000 Euro – nur, damit irgendein T-Shirt nicht ganz zerknautscht aussieht? Das ist eindeutig zuviel. Diese Billigteile, die sich sofort zerlegen, kosten 20 Euro, 100 Euro ist mir zuviel (da gehe ich lieber schön essen, sorry), aber 50 Flocken für ein angenehmes Brett, das ist in Ordnung.

Ich kaufe das Teil („Vileda“, auch noch Markenware!) in einem großen Kaufhaus, für 50 Euro (für mich ein Vermögen) und stelle dann fest, dass das Ding nicht in meinen Fiat Panda (auch nur geliehen) passt. Das Bügelbrett ist zu lang, der Panda zu kurz. Ich schiebe es schräg hinein, da müsste ich mit offenem Fenster fahren – auf der Autobahn? Ich lege es über die Sitze (wie kriegt man eigentlich diese Nackenstützen weg?), da sehe ich nichts mehr im Rückspiegel. Aber nach einer halben Stunde Rumwurschteln auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums fahre ich einfach los.

Bügelbrett schaut lustig zum Seitenfester raus, dafür sehe ich null im Rückspiegel. Das Gefühl auf der Autobahn wird langsam mulmig, also fahre ich irgendwo raus und regele mein Bügelbrett. Es ging wunderbar. Bis zur Fähre in Los Cristianos, auf der Fähre, überall, Autobahn. Bis ich nach La Gomera kam – und da den kurvenreichen Weg in den Norden vor mir hatte. Kurz nach dem Tunnel in einer Kurve löst sich das Bügelbrett (wovon eigentlich?) und knallt mir an den Kopf. Es war ja gut gedämpft und so wurde ich nicht bewusstlos, sondern hielt das Ding in jeder Kurve, die geneigt war, das Brett in meine Richtung zu transportieren, fest. Zwölf Kilometer. Einhändig fahren? Kein Problem. Abends um 8 ist kein Schwein mehr unterwegs. Alle Kneipen sind schon zu. Das war´s.

Das Bügelbrett habe ich noch nicht ausprobiert. Ich hoffe, es ist okay. Vor den vielen Staubsaugern stand ich fassungslos. Echte Überforderung.

Ende der Geschichte. Sofern es eine ist.

Was sagt das über mich? Eine Menge (könnt ihr selbst interpretieren). Was lerne ich daraus? Dass sich die Preise verändert haben. Dass sich mein Zustand zu den Preisen verändert hat. Dass man sich heutzutage die Sachen schicken lässt. Sofern das geht. Dass ich nach wie vor Bügeln für einen Unfug halte, aber immer noch bügele. Wichtig. Oder?

Ich nehme an, das ist nicht der Grund, warum es ein Tagebucharchiv gibt. Wiki:

„Am 14. Januar 1998 wurde der Verein Deutsches Tagebucharchiv e. V. gegründet. Einsender aus ganz Deutschland schicken nicht nur Funde aus Nachlässen, die bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zurückreichen, ins Deutsche Tagebucharchiv nach Emmendingen. Es treffen auch regelmäßig vielfältige Aufzeichnungen von Zeitgenossen ein.“

Ich werde davon absehen was einzusenden.