Give peace a chance
Leere
Was schreibt man, wenn das Hirn leer ist?
Gute Frage. Ich würde sagen: nichts. Weil man nur aufschreiben kann, was man vorher gedacht hat. Vielleicht kann das ja bald die künstliche Intelligenz.
Etwas aufzuschreiben ohne es vorher gedacht zu haben, geht (derweil noch) nicht. Aber etwas zu machen ohne nachzudenken, scheint überall gut zu funktionieren. Ich habe jetzt diesen Film, den mir alle ans Herz gelegt haben, (auf Netflix) gesehen: „Don´’t look up“. Regie: Adam McKay, mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett. Eine böse Satire mit feinfühligen Details. Ich habe gelacht, gut gemacht.
Und ich habe auch den Film gesehen „Ich bin dein Mensch.“ Deutscher Spielfilm von Maria Schrader, 2021, mit Maren Eggert und Dan Stevens. Noch in der ARD Mediathek. Wikipedia nennt es eine melancholische Komödie. Es geht um die Begegnung einer Frau mit einem humanoiden Roboter. Apropos künstliche Intelligenz. Was machen wir, wenn alle unsere Wünsche erfüllt werden? Am Anfang dachte ich „oh, no!“, aber dann blieb ich doch hängen und nach und nach drängen sich immer mehr Fragen auf. Würde ich einen gut funktionierenden Roboter einem bockigen Menschen vorziehen? Was ist Beziehung? Was ist ein Mensch? Und und und …
Also, Fazit: Nachdenken. Das führt zwar nirgendwohin, kann aber recht unterhaltsam sein. Ich hoffe, dass ich jetzt wieder mehr dazu komme. Dann gibt’s auch wieder Stoff für diese Seite.
Schlau
„Ihr habt die Uhren, aber wir haben die Zeit.“
Irgendein Taliban. Irgendwann.
Schau
Ach ja, Bild ist fertig.
Was mir gefällt:
Und – eine Art spanischer Balkanbeat?
Entspannte Feiertage!
Es ist von unschätzbarem Wert, einen Freund zu haben, der deine Interessen teilt und dir hilft, motiviert zu bleiben.
Maryam Mirzakhani
In diesem Sinne, Freunde und innen, vielen Dank für alles und wir machen weiter mit Geduld. (Heißt: Warten auf einen Blog-Eintrag von mir 😉
(Ich werde jetzt mal schauen, wer Maryam Mirzakhani ist …)
Keine Geschichten
Eher so:
Wie herrlich ist es, nichts zu tun und dann vom Nichtstun auszuruhen.
Heinrich Zille
oder:
Bei Licht besehen, sind Ruhe und Glück überhaupt dasselbe.
Theodor Fontane
Heißt: Ideen und Inspiration gibt es genug, allein es fehlt die Zeit (Muße).
Gelesen
Tatsächlich. Ich habe gelesen. Was mir gefiel:
Celeste Ng: Was ich euch nicht erzählte. Roman.
dtv München, 9. Auflage 2020, © 2014 (Everything I never told you)
Berührendes Buch mit einem genialen Anfang:
„Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht. Am 3. Mail 1977 um halb sieben …“
Normalerweise bin ich kein Fan von Famililengeschichten. Hier mache ich eine Ausnahme.
Wo ich sehr gelacht habe:
Linus Reichlin: Señor Herreras blühende Intuition. Roman
Galiani, Berlin 1. Auflage 2021, 270 wunderbare Seiten.
Der Schweizer Autor nimmt so ziemlich alles aufs Korn, was
es gibt. Ein Schriftsteller geht ins Kloster mit einem „Romankonzept“.
Sehr komisch! (Also, sagen wir, für MEINEN Humor).
Für mich faszinierend: so gut wie alles in indirekter Rede geschrieben, keine Dialoge – und trotzdem spannend! Cool. Beispiel, Zitat:
„… haben Sie das Kleingedruckte nicht gelesen? Das steht doch auf der Internetseite, da steht: Übernachtung und Verpflegung und nicht: Mit Zisterzienserinnen strengerer Observanz essen und plaudern und mit ihnen in der Kirche rumsitzen. Nein, sagte ich, das stand da nicht, da stand: Erleben Sie die authentische Klosteratmosphäre, nehmen Sie teil am Klosterleben.
Er ging, und ich dachte, er hat recht, es ist meine Schuld, ich hätte mich genauer informieren sollen, nie informiere ich mich genau, in was für Scheißhotels bin ich schon gelandet, weil ich zu faul war, mir die Zimmerfotos anzusehen, jetzt stecke ich in einem Kloster mit Eremitinnen fest!
(Und, super Erkenntnis ;)):
„Wenn es darum ging, produktive Fehler zu machen, konnte ich mich auf mich verlassen.“
Aktuell
Nochwas habe ich gelesen. Und obwohl das Buch schon 1987 zum ersten Mal veröffentlicht wurde (erneut aufgelegt mit einem Vorwort von 2001, kurz nach 9/11), erhellt es doch so einiges zum Thema Afghanistan, das ja plötzlich wieder Aktualität bekommen hat … Wer also will, es liest sich super und man begreift (vielleicht) manches, im Nachhinein.
Doris Lessing: Der wind weht unsere Worte fort. Afghanische Betrachtungen. btb Goldmann Verlag, 1. Auflage Dt. Mai 2002; 191 Seiten.
Es handelt von den Menschen, der Landschaft, dem Leben in Afghanistan und Pakistan, man hat dort mit den MENSCHEN gesprochen, sie gehört, ihre Meinung hören wollen.
Zitat: „Schwerlich kann man den Plan begrüßen, Bodentruppen in dieses Land zu schicken, um gegen Menschen vorzugehen, die im Krieg gelernt haben, halb verhungert zu kämpfen, die immer umhergezogen sind und mit schweren Lasten Berghänge hochklettern können, vor denen selbst eine Ziege zurückschreckt.“
Ach ja, ich kann euch auch sagen, welche Bücher man nicht zu lesen braucht. Und das, obwohl ich Fan von beiden bin: 1. Michel Houellebecq „Lanzarote“ und 2. die Autobiographie von Woody Allen „Ganz nebenbei“. Das erste ist eine seltsame Sexgeschichte, zu der die Süddeutsche Zeitung sagt: „Die traurigste Reisegeschichte der neueren Literatur“, wobei ich fast das Wort „Literatur“ in Frage stellen würde – und das zweite ist ein name-dropping für Fans, die lückenlos wissen wollen, wann Woody Allen mit wem was gemacht hat und warum. Vermutlich für Kenner ein Genuss, für mich anstrengend …
Und sonst noch?
Endlich wieder offen! Blick nach oben Enttäuschung?
Ja, die Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz ist wieder offen! Zur Eröffnung Eintritt frei – und eine Ausstellung „Hungry for Time“ in der Gemäldegalerie. Wo vorher die ganzen wunderbaren alten Schinken hingen, gibt es jetzt spärlich gestreut die alten Werke in Bezug gesetzt auf aktuelle Arbeiten. Eine ältere Dame äußerte ihren Unmut beim Verlassen der Ausstellung, sie hätten ja mehr kaputt gemacht als renoviert und außerdem … usw. Ebenso enttäuscht waren die (englisch-sprechenden) Touristinnen, die vor dem zugeklappten Triptichon von Hieronymos Bosch (Weltgerichts- oder Weltuntergangs-Triptichon) standen. Man konnte eben nur die Rückseite sehen. Jacobus Major und St. Bavo (habe ich von Wiki), in „Schwarz/Weiß“, haha. Ich weiß nicht, ob sie das Werk auch restauriert haben (ist schließlich von 1485-1505), in Wiki steht: „Durch mehrere Restaurierungen in der Vergangenheit befindet sich das Bild in einem schlechten Erhaltungszustand.“
(Ich fand ja die Ausstellung rechts, (Thicket of Ideas, Thicket of Times) – kein Schreibfehler – interessanter) …
Gechippt
Vor drei Tagen haben sie mir einen Mikrochip eingepflanzt. Bill Gates, glaube ich. Sie wollen mich kontrollieren. Wollen die Weltherrschaft an sich reißen und Impfstoffe verkaufen. Ich weiß nicht genau, wer da aller mitmischt. Clinton auch. Habe ich gehört.
Ich kann nicht verstehen, warum so viele Menschen das Offensichtliche nicht erkennen: dass wir manipuliert werden, dass man uns verarscht, dass die mainstream-Medien lauter fake-news erzählen. Wer sich an die richtigen Quellen in den social media wendet, merkt ganz schnell, woher der Wind weht. Der Professor Bhakdi hat´s doch gesagt! (Oder hieß der Bhattacharya – kompliziert.) Aber sie wollen es nicht anders. Lassen sich impfen wie die Lemminge, weil das der Staat so will. Was wirklich dahinter steckt, wird erfolgreich verschleiert.
Ich muss gestehen: Ich habe den Impfterrorismus mitgemacht. Mit AstraZeneca. Weil ich meine Freiheit zurück will. Ich will verreisen. Ich will im Restaurant sitzen. Auch mal ins Konzert gehen. Ich will mich nicht dauernd testen lassen. Wer weiß, was sie einem da durch die Nase einführen! Und schon gar nicht ewig diese vergiftende Maske aufhaben. Ich will aber auch kein Einsiedler werden. Dieser Druck, dieser Zwang – das ist doch keine Demokratie! Das ist reiner Terrorismus. Wir wollen unsere Entscheidungsfreiheit wieder haben. Da war´s ja in der DDR besser.
Im Grunde glaube ich, dass man sich gar nicht impfen lassen braucht – zumindest nicht gegen das Corona-Virus. Das ist ja nur wie eine Grippe. Alles Täuschung. Der wahre Verursacher von Covid sind doch die Strahlen. Das 5G-Netz. Ein Freund hat schon das neueste 5G-Handy. Ich kann das nicht verstehen. Seitdem meide ich seine Gesellschaft. Ich will da nicht in die Nähe kommen. Schwächt das Immunsystem. Wer weiß, ob das nicht auch ansteckt. Und alles nur, weil sie uns fernsteuern wollen. Kein Wunder, wenn´s uns dann schlecht geht.
Eine Freundin hat mir erzählt, eine Bekannte von ihr wurde am Freitag geimpft und war am Montag tot. Ich merke, wie ich komplett antriebslos bin und einfach nur schlapp. Mir ist schwindlig und die Kopfschmerzen wollen einfach nicht weggehen. Ich werde doch nicht auch so eine Thrombose haben? So eine, die ins Hirn geht? Gerade bei Frauen ist das ja so. Soll ich zum Arzt gehen? Aber das ist ja auch nicht so einfach dranzukommen. Wegen der ganzen Hysterie. Mit der sie einen Haufen Geld verdienen. Masken. Impfung. Schutzkleidung und so …
Vielleicht schaue ich mal nach. Bei Facebook. Oder in der Telegram-Gruppe. Da frage ich einfach mal, ob jemand was weiß …
ZP/August 2021
Zur richtigen Einordnung kann man mal nachlesen (unter anderem):
https://de.wikipedia.org/wiki/Falschinformationen_zur_COVID-19-Pandemie
Ihr merkt, ich experimentiere mit Perspektivwechseln. Erzählerwechsel.
Alles nur Übungen.
Gleich zur Aufmunterung ein bisschen kanarische Musik.
Zwischen Süd-/Lateinamerika und Spanien mischt sich alles …
Der eingeblendete Text lautet in etwa:
Wenn Arbeiten gesund ist, dann sollen doch die Kranken arbeiten.
Wie sagte schon Sokrates: Muße ist der schönste Besitz von allen.
Und ja, man kann Bilder auch mal anders aufhängen.
COVID GEBURTSTAG.
IRGENDWANN IM MAI.
So hatte ich mir meinen runden Geburtstag nicht vorgestellt. Fern der Heimat (England), mitten in einer merkwürdigen Runde seltsamer Menschen in Spanien.
Ich habe meinen Lebenspartner, einen Gomero, geheiratet. Wegen des Brexit. Sonst hätte ich nie geheiratet. Aus Prinzip nicht. Lieben kann man ja wen man will. Zumindest in unseren Breiten. Noch. Und jetzt Pandemie. Ein-/Ausreiseverbot. Verhaftet auf La Gomera, einer kleinen Atlantik-Insel.
Gefeiert wird bei der Schwiegermutter im Hof. Heißt: man kann draußen sitzen, im Gegensatz zur britischen Insel, wo es regnet. Im Gegensatz zu anderen Flecken der Erde, sind hier, auf La Gomera, Treffen (im Freien) mit maximal zehn Personen erlaubt. Woanders sitzen die Menschen zuhause vor dem Fernseher und hören/sehen schlechte Nachrichten und jonglieren mit Ziffern. Also, soviel zum Positiven.
Die kleine Insel hat rund 20.000 Einwohner, davon leben ca. 8.000 in der Hauptstadt, der Rest verteilt sich auf kleinere Gemeinden, verstreut über die Insel. Wir sind hier im Nordosten, in einem kleinen Dorf, in dem, wenn wir es gut meinen, noch ca. 400 Menschen wohnen. Freizeitbauern, Arbeitslose, drei Kneipenwirte, viele (sehr) Alte und ein paar Verlaufene. Als Ausländer und Teilzeitbewohner kenne ich (noch) nicht alle. Wen also einladen zu meinem 40er?
Die Einladung der restlichen Gäste – zieht man mich, meinen Mann, seine Mutter und den Bruder ab, bleiben noch sechs! – übernimmt mein mir soeben angetrauter Ehemann. Er nennt mich übrigens liebevoll Johnny, die anderen John.
Ich erwarte also freudig die Gäste im großzügig angelegten Hof der Schwiegermutter. Derweil skype ich mit meiner Mutter in England. Natürlich auf Englisch. Das verstehen nicht alle, die Hiesigen sprechen meist nur spanisch. Meine Mutter sieht ein wenig zerzaust aus, am Display. Besorgt. Die Arme. Sie getraut sich nicht aus dem Haus. Haben wir´s gut!
Wie hätte ich denn ohne das Virus meinen Geburtstag gefeiert? Unter „normalen“ Umständen? (Und was ist/war schon normal). Mit hundert Leuten in einem Pub? Mit einer krachenden Party? Habe ich überhaupt darüber nachgedacht?
Der Tisch ist gedeckt. Schinken, Käse, Avocado, Almogrote, Brot. Bis alle Eingeladenen eingetroffen sind, vergeht geraume Zeit. Schließlich sitzen alle an der Tafel: meine Schwiegermutter Inma und zwei ihrer Söhne, Roberto und Alejandro, so heißt mein Mann, sein Jugendfreund Mon, die venezolanische Mieterin Irene mit ihrer adoleszenten Tochter, die dicke Maria und zwei deutsche Frauen, die im Dorf wohnen. Petra und Inge. Und natürlich ich, John. Genau zehn Personen.
Auf der unteren Terrasse steht mein Schwager am Feuer und achtet darauf, dass die Paella auf dem Grill nicht verkohlt. Vegetarische Paella. Wir sind Vegetarier, ungewöhnlich genug für die Insel, auf der es vor allem Fleisch mit Kartoffeln gibt. Die Hunde, die unten bleiben müssen, stellen sich von Zeit zu Zeit auf die Hinterpfoten, um Einlass zu erbitten. Vergeblich. Die Party beginnt. Jeder bekommt sein Getränk. Süßen Wein, trockenen Wein, rot oder weiß, Cava, Bier, Limo. Je nachdem. Das Essen startet.
Dazu läuft Musik. Man soll merken, dass gefeiert wird. Wie lange darf man denn? Bis um 22 Uhr oder 0 Uhr? Es wird unübersichtlich mit den Corona-Maßnahmen. Also, jetzt ist es noch früh genug. Ich blicke in die Runde. Neben mir sitzt Alejandro. Ich liebe ihn. Er schreibt. Er schreibt richtig gut. Ist eher schüchtern und zurückhaltend. Dann sitzt da die dicke Maria. Sie ist depressiv. Das weiß jeder. Und sie besteht darauf. So richtig weiß ich nicht, wie der Zusammenhang ist – vermutlich eine Freundin meiner Schwiegermutter, die den Vorsitz am Tischende hat. Diese wiederum ist eine „lustige Witwe“. Tragisch, der frühe Tod ihres Mannes, des Vaters meines Ehemanns. Dabei ist sie so lebenslustig. Wenn man sie „lässt“. Sie sprüht vor Energie und würde am liebsten lossingen. Was sage ich: kreischen. Roberto, ihr zweiter Sohn (es gibt noch einen dritten, der ist nicht da), versucht sich aus dem Szenario herauszuhalten, was ihm aber nicht immer gelingt. Er muss nur motiviert werden. Dann ist da noch der ewige Schulfreund aus Kinder-/Jugendzeiten: Mon. Auch schwul. Geschäftsmann, geachtet im Dorf – und ein ganz spezielles Talent. Ein Original. Er ist Animator und Einheizer. Es gibt Karaoke, später. Nach dem Essen. Da freue ich mich schon drauf. Fehlt noch Irene und ihre Tochter. Sie mussten aus Venezuela weg, wie so viele, sind hier gelandet mit nichts. Ein harter Schlag, alles zu verlassen, Haus, Autos, Tiere, Land … und dann auf diese rückständige Insel zu geraten. Das kann schonmal am Selbstbewusstsein nagen. Gut, dass Irene genug davon hat. Selbst ihre Tochter taut langsam auf. Wenigstens beim Tanzen und Karaokesingen.
Und dann sind da noch die beiden deutschen Frauen. Petra, manchmal ein wenig vorlaut, gibt ein paar Anekdoten zum Besten – und Inge, der Neuzugang im Dorf, probiert ihr nach und nach erobertes Spanisch aus. Alle hören freundlich zu.
Es wird gegessen, bis es nicht mehr geht. Wir kämpfen uns durch alle Speisen, die Paella ist wirklich sehr gut gelungen und geschmackvoll. Die meisten von uns haben in Corona-Zeiten ziemlich zugelegt. Weil sie in Spanien nicht rausdurften. Nichtmal zum Spazierengehen. „Confinamiento“. Das hängt sich an, wenn man zu zweit daheim verhaftet ist und Kochen eine Leidenschaft.
Als Krönung die Geburtstagstorte. Bestellt man auf der Insel eine Geburtstagstorte, bekommt man ein übersüße und mit reichlich Zuckerzeug bunt dekorierte Cremetorte. Als wäre noch heute das wichtigste Nahrungsmittel der Zucker (früher dessen Export, später Import). Für übrige „Europäer“ nicht nachvollziehbar, geschweige denn essbar. Deshalb sind wir gestern extra eine dreiviertel Stunde zu dieser – eigentlich wirklich guten – Konditorei gefahren und haben eine Erdbeertorte bestellt. Etwas Leichtes, Frisches, keine Bombe. Ich sagte, vor allem Erdbeeren – und nur Sahne, keine Creme. Jetzt stand das zweistöckige Kunstwerk auf dem Tisch. Anschneiden. Äußerlich war noch keine Erdbeere zu sehen, vermutlich sind diese alle innen versteckt. Ich schneide an. Keine Erdbeere weit und breit. Wir probieren. Sahne. Und ein wenig Teig. Und, wenn man ganz feinfühlig ist, spürt man ein wenig Erdbeeraroma heraus. Das ist aber nur für die ganz Sensiblen unter uns. Der Sahnehaufen ist ungenießbar. Ich entschuldige mich schließlich dafür, dass ich so einen Schrott gekauft habe. Peinlich.
Gottseidank hat eins der deutschen Mädels einen klassischen Käsekuchen mitgebracht. So ist zumindest die Nachspeise gerettet.
Jetzt muss das Angegessene wieder abgetanzt werden. Musik wird aufgedreht, quer durch den Gemüsegarten. Mon spielt den Entertainer, die Gomeros sind vorne dran mit Karaoke. Es werden verschiedene Kracher ausgesucht, lustig. Alle singen nach Herzenslust. Laut. Ob falsch oder richtig, stört keinen. Mit Inbrunst. Manche, meinen Schwager und die Kleine, müssen erst ein wenig bekniet werden, andere springen voller Freude auf die improvisierte Tanzfläche bzw. Sangesbühne. Die deutschen Damen finden einen gemeinsamen Nenner und geben ihr Bestes zu „Pretty Woman“, Roy Orbison.
Mich freut´s. Alle sind lustig und fröhlich. Es wird laut gelacht. Was will man mehr? Worum geht´s eigentlich im Leben? Eine schöne Zeit zu verbringen, sich zu amüsieren. Das habe ich heute getan. An meinem 40er. Wegen der Ausgangssperre endet die Feier frühzeitig. Dann bleibt mir ja noch die Nacht …
Und die Moral von der Geschicht: Unterschätze die Gomeros nicht …
ZP Mai, Juli 2021
Ab in den Dschungel!
In einem Artikel (El País, 11.7.21) habe ich ein Interview mit dem „Pflanzen-Neurobiologen“ Stefano Mancuso gelesen. Der berichtet von einem Experiment aus Norwegen. Dort hat man über zwei Jahre hinweg einen Vergleich in zwei Schulklassen gemacht. In einer Klasse war alles voll mit Pflanzen. In der anderen stand keine einzige. Am Ende stellte sich heraus, dass die Noten in der Klasse mit den Pflanzen um 30% besser waren, um 45% weniger krank wurden, sich die SchülerInnen untereinander besser verstanden und es kein bullying gab. Also, ab in den Dschungel!
Lesen.
Ich, mal wieder sehr hintennach, habe einen Roman von Uwe Timm gelesen. Fast hätte ich gesagt: ein sympathisches, liebenswertes Buch. Johannisnacht, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1. Auflage 1996.
Ich gebe zu, ein wenig spät – schließlich ist es „kurz“ nach der Wende geschrieben und handelt von kuriosen Begebenheiten in Berlin, aber es ist nach wie vor informativ wie unterhaltsam.
Ein Dialogbeispiel, Seite 42, Zitat:
Die DDR ist, sagte Rosenow und lehnte sich zurück, an der Unfreundlichkeit der Kellner kaputtgegangen.
Was?
Ja, sagte er, an der allgemeinen Unfreundlichkeit. Wenn man eine Mangelgesellschaft hat, dann muss man etwas ganz anderes liefern, mehr Freundlichkeit, mehr Freiheiten, auch für abweichende Sexualpraktiken, und mehr Muße, aber Muße mit gutem Gewissen.
Zitat Ende.
Im Buch fallen die Anführungszeichen bei Dialogen weg, ich habe das ß in zwei ss verwandelt (sorry, konnte nicht anders).
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
Benjamin Franklin
Ich werfe das Handtuch (natürlich nicht)
Bescheidenheit?
Wenn man Gäste hat (zumindest solche, die nicht mehr ganz jung sind), die über Nacht bleiben und man ein Handtuch anbietet, kommt häufig die Antwort: „Ich brauche nur ein kleines!“ Wieso eigentlich? Welche Art der Bescheidenheit ist das? Ich werfe ein kleines genauso in die Waschmaschine wie ein großes und es verbrauchen beide vermutlich genausoviel Waschpulver wie Strom.
Wenn ich eingeladen bin, bevorzuge ich ein großes Handtuch. Man kann sich nach dem Duschen nicht in ein kleines Handtuch einhüllen. Es kommt mir immer vor, als würde ich mich mit einem Waschlappen abtrocknen. Mich stört es, wenn mir Leute ein „kleines Handtuch“ rauslegen, weil sie glauben, das genüge ja um sich abzutrocken. Nein! Genügt nicht. Ich will ein großes. Duschtuch. So groß, dass man es zumindest einmal um sich herumwickeln kann, wenn man aus der Dusche steigt. Und nicht einen Fetzen, der hinten und vorne nicht reicht. (Vom Haarewaschen rede ich nicht). Think big.
„Das ganze Unglück in dieser Welt ist, dass die Dummen so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel sind.“
Bertrand Russel
Hat angeblich Marc Zuckerberg gesagt: „done is better than perfect“
Wie wahr:
„Für angenehme Erinnerungen muss man im Voraus sorgen.“
Paul Hörbiger
Irgendwo habe ich das gelesen:
„Und je weniger die Menschen vom Leben verstehen, umso mehr coaches gibt es. Je mehr Umweltlabels es gibt, umso mehr Schaden richten wir an. Auch wenn die Hälfe bei European Songcontest braun oder schwarz war und das Motto „diversity“ heißt, umso uniformer denken die Menschen und umso weiter entfernt sich dieses Label von der Realität.“
Ich schaue Nachrichten über die Mediathek. Und dann laufen die ersten Minuten und ich bin mir nicht mehr sicher, ob das nicht vielleicht die Nachrichten von gestern sind, die ich schon gesehen habe. Falsch geklickt? Dann schaue ich nach – und stelle fest: nein, das sind die aktuellen vom Tage.
Spinne ich oder bekommen wir jeden Tag das gleiche serviert und ständig die gleichen Bilder gezeigt: Oberarme, in die eine Spritze fährt?
Man müsste mal zählen, wieviele solcher Oberarme ich in den letzten Monaten ins Hirn gepresst bekommen habe.
Gut, dazwischen ein bisschen Gaza, ein paar Bomben, ein paar Tote …
(Der Text ist vom letzten Monat)
ZAPP!
Berta zappt im TV. Ständig. Sie sagt, sie habe seit drei Wochen nicht mehr fern gesehen. Das mache sie nervös. Als ihre Tochter Lisa ankam, lief die Glotze. Sie mache gerade einen neuerlichen Versuch, erklärte sie.
Berta kann kaum noch laufen. Der Alltag ist beschwerlich, die Freuden spärlich. Ihren 80. Geburtstag hat sie lange hinter sich.
Es ist Montag – und laut Berta montags eh nix Interessantes im Programm. Sie zappt. Irgendein US-Film mit Dianne Keaton ist auf 3 Sat. Zapp. „So ein komischer Film.“ Zapp. „So ein Blödsinn“. Es erscheinen im Schnelldurchlauf seltsame Gestalten, Quiz, Filme, wo man wirklich sagen muss: Weg damit! Das will ich nicht ansehen.
Das war vor Corona-Zeiten.
Auf irgendeinem Kanal schwimmen Wale. Tierfilm. Die Tochter sagt zur Mutter: „Lass doch das, Tierfilm, das ist doch eher entspannend.“ Berta stimmt zu, meint, das sei doch faszinierend, die Welt der Natur und – zapp! – sind die Wale weg. Arnold Schwarzenegger erscheint. Lisa beschwert sich. Kurz die Wale, wie sie einen Pinguin seines Kleides entledigen und ihn in kürzester Zeit zerquetschen – zapp! – Quiz. Zapp: Schwarzenegger, zapp – was weiß ich. Und die Wale? Lisa sagt nur: „Jetzt verstehe ich, warum dich Fernsehen nervös macht!“ Berta: „ja, ja, da läuft nichts.“ Berta hört schlecht. Sie versteht Null. Lisa wird deutlicher: „Wenn du immer rumzappst, wird man ja ganz nervös!“ Das bezieht Berta aber mitnichten auf sich, sondern auf das Fernsehen an sich und überhaupt. Kurz erscheinen noch Katja Riemann und ein paar weitere renommierte Schauspieler, die durchaus darauf schließen ließen, dass es Filme gibt, die man sich anschauen könnte. Aber Berta lässt ihnen keine Chance. Zapp, weg. Zum Schluss macht die alte Dame den Kasten aus. „So, was machen wir jetzt“, stellt sie frivol fest. Lisa: „Gehen wir ins Kino, da kann man sich einen Film am Stück anschauen.“
Geschichten
Opa und Tante.
Ich weiß nicht, wovor mein Großvater geflüchtet ist. Vor den Russen. Oder vor seiner Frau. Oder vor beidem. Er floh aus dem heutigen Mecklenburg-Vorpommern, oben, kurz vor der polnischen Grenze. War er überhaupt Flüchtling? Weggelaufen? Keine Ahnung. Als mein Großvater starb, war ich zu jung, um solche Fragen zu stellen. Das gleiche wiederholte sich mit meinem Vater. Keine Fragen. Keine Antworten.
Ich weiß nur soviel: mein Großvater – und später mein Vater – landeten in einem Dorf im Hessischen. In der Rhein-Main-Ebene. Dort hatten die Amerikaner die Hoheit der Alliierten. Er kam, wie viele Flüchtlinge, zunächst privat in irgendeiner Kammer bei wohlmeinenden Menschen unter. Oder gab es eine Stelle, die Quartiere zuteilte? Das weiß ich nicht. Ich erinnere meinen Großvater als einen feschen, stattlichen Mann, wie man das damals gesagt hätte.
Wir Kinder nannten die Vermieter „Ungl“ und „Dant“, Onkel und Tante. Hessisch. Als mein Großvater schon längst aus seiner Flüchtlings-Dachkammer ausgezogen war, bewohnte viele Jahre unsere Familie die Wohnung im ersten Stock des Zweifamilienhauses. Dort wurden meine Schwester und ich geboren. Hausgeburt, damals üblich. Wir Mädchen schliefen in demselben Zimmer wie unser Opa seinerzeit.
Die Vermieter waren Hessen, aus meinen Kinderaugen uralt – und ein Paar, das unterschiedlicher nicht hätte sein können. SIE groß und gertenschlank, die Haare streng nach hinten zusammengebunden, immer auf Achse, immer was zu tun, die Hühner, der Garten, putzen, kochen. Ich erinnere mich genau, dass ich einmal zusehen durfte, wie sie ihre langen, graumelierten Haare kämmte und dann kunstvoll zu einem Knoten zusammensteckte. Ich habe das als eine sehr intime und vertrauensvolle Situation im Gedächtnis abgespeichert. So als hätte man ein gemeinsames Geheimnis.
ER klein und rund. Alles an ihm war rund. Der Körper wie eine Kugel, auf dem eine kleinere Kugel saß, der Kopf. Ohne Haare (gut, ein paar Resthaare waren über die Glatze gekämmt), alles an ihm war kugelig. Bis auf sein spitzes Taschenmesser, mit dem er aß. Ich habe ihn nie mit Messer und Gabel essen sehen, immer nur mit dem Taschenmesser. Er schnitt das belegte Brot in „Muffelscher“, spießte dann ein Häppchen auf und führte es zum Mund. Ich war fasziniert, als Kind. Wenn er nicht gerade Brot aufspießte, saß er am Fenster, auf ein Kissen gelehnt, die Fensterläden halb geschlossen und glotze auf die Straße. Wo sich in der Regel nicht viel abspielte, es war kleines Nest, der Verkehr in den 50ern mäßig, wir Kinder spielten auf der Straße. Die Nachbarin gegenüber war für ihr lautes Organ bekannt und brüllte ab und zu durch Mark und Bein. Das war´s.
Ein wenig Schwung brachten nach dem Krieg sudetendeutsche Zuwanderer, zu denen auch meine Mutter gehörte, in die ländliche Idylle. Gewerbetreibende, Instrumentenbauer, fleißige Handwerker. Sie bauten kleine Siedlungshäuser am Waldrand, gründeten seltsame Vereine wie einen Skiclub, obwohl weit und breit kein Hügel, geschweige denn Schnee in Sicht war und gingen in die falsche Kirche. Sie waren Katholiken. Anstatt Zuckerrüben anzubauen, bastelten sie an einer besseren Zukunft und machten Hausmusik. Im Laufe der Zeit lernten die Alteingesessenen mit den Neuen umzugehen – und umgekehrt.
Der Onkel war angeblich früher Wirt und nun Frührentner. Oder vielleicht war das auch nur eine Geschichte, die man uns Kinder erzählte. Ob und welche Krankheit er gehabt haben könnte, habe ich nie gewusst, ich habe ihn einfach so genommen wie er war. Und ich habe ihn nie wirklich in Bewegung gesehen. Wie er von der Küche zu dem Zimmer, wo er aus dem Fenster schaute, kam, ist mir ein Rätsel.
Wie dem auch sei, mein Großvater landete in der Dachkammer des ungleichen Paares. Wie lange er dort wohnte, weiß ich nicht, er hat später ein Haus gekauft oder gebaut und eine zweite Frau geheiratet. Seine erste, meine Oma, war in der – später dann – DDR geblieben. Mein Vater hatte zeitlebens ein schlechtes Gewissen, dass er seine Mutter verlassen hatte, um in die Nähe seines Vaters zu ziehen, wo er schließlich meine Mutter kennenlernte.
Eines Morgens, als wir uns für die Schule – ich ging bereits ins Gymnasium – fertigmachten, lief mein Vater aufgeregt und heulend umher. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er rief immer wieder: „Der Opa ist tot, der Opa ist tot!“ So ganz hatte ich das nicht begriffen, mit dem Tod hatte ich bislang nichts zu schaffen, er war mir unerklärlich, um nicht zu sagen gar nicht vorhanden. Mein Vater war völlig aufgelöst. Mein Opa starb an Lungenkrebs. Mit der Nachricht von seinem Tod hatte der Sohn, das Einzelkind, quasi über Nacht seine Familie verloren.
Ich erfasste in keiner Weise die Tragweite der Ereignisse, ging dennoch reichlich verstört in die Schule. Deutschstunde. Ich wurde aufgerufen, um ein Gedicht zu rezitieren, natürlich auswendig: Theodor Storm, Meeresstrand. „Ans Haff nun fliegt die Möve“ … Ich wusste nicht einmal die Überschrift, die erste Zeile sagte mir jemand vor, ich schwieg. Mein Gehirn meldete totales Vakuum. Das tut es übrigens bis heute. Ich habe mehrmals versucht, das Gedicht auswendig zu lernen, aber in meinem Hirnraster verfangen sich die Verse nicht. Meer, Inseln, Dämmerung … dafür hatte ich keine Bilder als Kind des hessischen Flachlandes … Ich weiß nicht, ob ich das Gedicht vergessen oder einfach nicht auswendig gelernt hatte, Aufgabe vergessen, keine Ahnung. Ich entschuldigte mich für mein Versagen mit dem Tod meines Großvaters. Tut mir leid, mein Opa ist heute gestorben. Punkt.
Ich versuchte die peinliche Situation so gut es ging zu verdrängen, mein fröhliches Gemüt hatte wieder die Oberhand gewonnen, als ich von der Schule nach Hause kam. Schon im Hof empfing mich meine ältere Schwester mit dem Satz: „die Tante ist tot!“ Ich lachte über den Scherz. Ein Toter am Tag ist genug! Es war kein Scherz. Die Vermieterin, in die Jahre gekommen, mit den grauen Haaren und dem trägen, invaliden Ehemann, hatte die Nachricht vom Tod meines Großvaters erreicht und ist auf der Stelle tot umgefallen. Herzschlag. Ich konnte das alles nicht verstehen. Erst viel, viel später hatte ich 1 und 1 zusammengezählt. Sicher hatten die beiden ein Verhältnis. Die Tante und mein Großvater, der Untermieter. Ja, vielleicht war mein Opa sogar die große Liebe meiner Wahltante. Wer weiß. Sicher war, dass der Tod sie am gleichen Tag geholt hat. Das nennt man Schicksal. Oder so.
Meeresstrand von Theodor Storm
Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämmrung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein
Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.
Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen –
So war es immer schon.
Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
Buch-Tipp
Ich habe das neue, schwer gehypte Buch von Christian Kracht gelesen. Eurotrash. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1. Auflage 2021
Ich kann mich nur erinnern, dass ich von „Faserland“ seinerzeit sehr beeindruckt war (wenn ich auch gar nicht mehr wüsste, was da drin stand, da müsste ich nachsehen !?!), also dachte ich, lese ich mal, was der Autor von Faserland zu sagen hat (der Protagonist im Buch). Ich habe es erstens ratzfatz durchgelesen (was mir selten passiert) und zweitens genossen. Er schreibt einfach gut, ein Genuss. Die Story kann man finden wie man will, die Aufreger für die Presse (die Vergewaltigungen) sind beiläufig, nicht wichtig, die Kleinigkeiten regen an.
Zitat:
„Manchmal, oft hatte ich mir gesagt, wirklich, dass es kein Anzeichen von seelischer Gesundheit war, sich an eine zutiefst gestörte Familie anpassen zu können. Und wie es mir nur gelungen war, überhaupt jemals gelingen konnte, mich aus der Misere und der Geisteskrankheit meiner Familie herauszuziehen, aus diesen Abgründen, die tiefer und abgründiger und elendiger nicht sein konnten, und ein halbwegs normaler Mensch zu werden,…“
oder
„Und wenn sie nicht meine Mutter gewesen wäre, hätte ich gedacht, hätte ich sie vielleicht gerne kennengelernt.“
oder
„Es war immer die Sprache selbst gewesen, die Befreiung und gleichzeitige Beherrschung der spastischen Zunge, es war das einzigartige Geheimnis gewesen, das in der korrekten Abfolge der Silben steckte.“
Schön ist die Leichtigkeit, mit der Kritik rüberkommt – und die Selbstironie.
Und noch eine kleine Geschichte: Schadenfreude.
Schadenfreude ist die schönste Freude. Deshalb schreibe ich das auf. Für euch. Falls ihr ein wenig Aufmunterung gebrauchen könnt.
Der Tag fing damit an, dass ich im Hof die Scherben aufgekehrte, weil der Wind meine Vase umgefegt hatte und sie zersplittert ist. Naja, kann passieren. Heute Putztag. Muss eh aufräumen.
Das mit den Scherben (bringen die wirklich Glück?, na dann!) ging so weiter: beim Staubwischen ist meine einzigartige Keramikhenne auf die Porzellanfigur geknallt. Wie habe ich das gemacht? Ich passe doch auf, normalerweise. Porzellan in Splitter, Henne hat einen gebrochenen Haxn. Ist eine extra für mich gemachte Keramikfigur einer befreundeten Künstlerin. Ein Unikat! Nicht aufregen, Helga. Alles vergeht, auch du lebst nicht ewig.
Die Putzaktionen gingen unfallfrei zu Ende. Bis zum Termin habe ich noch Zeit, ich könnte einen Kuchen backen. Prima. Mein Kühlschrank ist so brechend voll (ja, ich müsste ihn mal ausmisten!), dass mir beim Herausholen der Butter die Oliven auf den frisch gewischten Küchenboden kullern. Die am Markt teuer erstandenen gemischten, eingelegten Olilven! Alles ölig. Die Oliven überall, ich suche unter den Schränken. Schaden behoben, alles wieder aufgewischt. Kühlschrank abgewischt. Kein Problem.
Ich schiebe den Kuchen in den Ofen. Vorgeheizt, alles gut. Ich räume ein wenig zusammen in der Küche. Mein Backofen macht aber heute komische Geräusche und mein Kuchen duftet bereits nach fünf Minuten. Was ist da los? Gottseidank schaue ich nach: ich hatte auf „Grill“ gestellt. Ich habe noch nie probiert, einen Kuchen zu grillen anstatt zu backen und möchte es auch diesmal nicht. Ich schalte zurück auf den richtigen Regler. Ich wollte keinen „Marmor“kuchen mit knusprig gegrillter schwarzer Außenhülle. Vorsichtshalber decke ich die schon gut angebräunte Oberfläche in der Form mit Alufolie ab, um die Auswirkungen (hoffentlich) einzudämmen.
So ein Kuchen braucht ja seine Zeit. Zwischenzeitlich spüle ich ab bzw. ich will abspülen. Ja, nicht lachen, ich spüle per Hand! Nichts geht mir, die Brühe staut sich. Der Abfluss ist verstopft! Prima. Das hat gefehlt. Ich werkele mit meinem Vakuum-Stampfer (wie heißen die Dinger?) und die ganze Sch… kommt mit Schwung seitlich am Waschbecken heraus und verteilt sich auf meine ebenfalls frisch geputzte Spüle und Ablage. Danke. Das war nötig. Aber der Abfluss ist frei. Sehr gut. Ich getraue mich nicht, einen Blick auf den Kuchen zu werfen. Wer weiß, was das gibt – am besten, ich schaue nach, wenn die Zeit um ist und rechne mit dem schlimmsten. Oder? Cool down, baby.
Ich gehe zu meinem Kleiderschrank, will mir Klamotten rauslegen. Nach den ganzen Putzaktionen werde ich erstmal duschen, wenn der Kuchen fertig ist. Doch: Was ist das an meiner Fensterscheibe? Sind das Käfer? Fliegen? Es wuselt. Getier. Ekelhaft. Ich putze, morde, reibe. Wo kommen die her? Sie werden immer mehr. Ich habe das Gefühl, sie vermehren sich unter meiner Hand. Animiert durch das schöne Wetter, vermutlich. Vom Winterschlaf aufgewacht, wie unsereins. Schließlich greife ich entnervt zu Gift. Das mache ich sonst nie! Ich hab´s aber. Ende. Jetzt wird durchgegriffen! Jetzt reicht´s!
Das beeindruckt in der Regel die Viecher kein bisschen. Morgen sind sie sicher wieder da. Oder in fünf Minuten. Aber ich schaue heute nicht mehr nach.
In meinem Kalender steht: Sachlichkeit ist heute Ihr Schlüssel zum Erfolg. Also.
Jetzt die obligatorischen Zitate …
„Das Rezept für Gelassenheit ist einfach: Man darf sich nicht über Dinge aufregen, die nicht zu ändern sind.“ Helen Vita.
„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen.“ Asiatische Weisheit
„Der Ärger ist als Gewitter, nicht als Dauerregen gedacht; er soll die Luft reinigen und nicht die Ernte verderben.“ Ernst R. Hauschka
„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“ Konrad Adenauer (kann man nicht oft genug sagen)
„Wenn wir die Welt von unseren Schultern nehmen, erleben wir, dass sie nicht fällt.“ John Cage
Wer noch verreisen kann …
Ein männlicher Briefmark
von Joachim Ringelnatz
Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens,
Das ist die Tragik des Lebens.
Tipp: Christoph Cech spielt sein Beethoven-Projekt in der Sargfabrik am 1. und 2. März 2021 – zu sehen im Videostream. Wer will: Sargfabrik.at, Beethoven Pocket-Orchestra.
Reif für die Insel?!
Homeoffice, Homeworking, Teletrabajo. Die Kanaren wollen jetzt unbedingt zahlungskräftige, unabhängige „remote-worker“ anlocken. Junge Menschen, die ihren laptop zuklappen und dann ins Meer hüpfen, werden gerne in den Nachrichten gezeigt …
Auf diesen Zug ist auch „Der Spiegel“ aufgesprungen. War da mal wieder eine Pressereise? Ein unreflektierter Artikel, der alle Klischees abfeiert – muss das sein? Es geht – mal wieder – um La Gomera. „Ich hab null schlechtes Gewissen“. Deutsche auf La Gomera. Von Claus Hecking. Am 17.2.2021 im Spiegel (online) zu lesen. „Corona-Flüchtlinge“, natürlich im Valle Gran Rey, wo sonst (der Rest der Insel scheint nicht zu exisitieren). Bilder: Paar am Sandstrand. Oder Baum, blauer Himmel, Regenbogen, Meer, eine entspannte Yoga-Lehrerin. „Ich bin hier so frei. Am liebsten würde ich für immer so leben wie jetzt“. Ich glaube, hier liegt eine Verwechslung vor, lieber Dr. Claus Hecking …
Was halten wir davon?
„… erhielt ein Polizist Verletzungen“ … (gehört im Radio).
Ich weiß nicht, mein Gehirn belegt das Wort „erhalten“ mit einem Geschenk, beispielsweise, oder mit Post. Mit einer Art von Übergabe, aber auf keinen Fall mit einer aggressiven Aktion.
Ich verstehe schon: Wenn man das Subjekt im Satz nicht nennen will (wer hat wen verletzt?), wendet man das Passiv an. Manchmal als Vermeidungstrick: „wurde ein Polizist verletzt“ – klingt das jetzt auch schon zu gewalttätig, als dass man das abmildern müsste?
„Vergangenes kann man nicht ändern, aber man kann sich ändern – für die Zukunft.“ Hans Fallada
und gleich noch eins:
„Alles, woran man glaubt, beginnt zu existieren.“ Ilse Aichinger. Hilfe!
Was ist der Goldman-Disclaimer?
„Nobody knows anything. Not one person in the entire motion picture field knows for a certainty what’s going to work. Every time out it’s a guess — and, if you’re lucky, an educated one.“
Nobody knows anything: der Goldman-Disclaimer. William Goldman, Drehbuch-/Autor.
Dazu:
„Alles, was wir hören, ist eine Meinung, keine Tatsache. Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive, keine Wahrheit“, sagte uns Marc Aurel.
Genug mit den Zitaten. Man könnte seine gesamte Meinung in Zitaten ausdrücken – oder?
back to sender …
Der ORF hat veröffentlicht, dass Österreich Plastik-Müll nach Malaysia verkauft hat. Das Blöde: Er kam jetzt zurück. 100 Tonnen Müll (von ursprünglich über 700 Tonnen – wo ist der Rest???). Belasteter Müll, der schwer bzw. bei unseren Auflagen teuer zu entsorgen ist? Wird derzeit analysiert.
„Gerade aus Malaysia kennen wir viele Beispiele, wo die Verarbeitung oder Deponierung von importiertem Müll Menschen krank macht und Meere, Flüsse und die Natur verschmutzt,“ meint Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace in Österreich.
Natürlich ist Geld im Spiel. Viel Geld. Und viele Subunternehmer. Das Geschäft mit dem Müll floriert. Alles, was man glaubt weit weg von den Industrienationen auf der Erde entsorgen zu können, taucht irgendwo wieder auf. Klar. Meist nicht direkt am Versandort wie in diesem Fall (haha), sondern in anderer Form (Klimawandel, Feinstaub usw.). Der naive Glaube, dass der Dreck weg ist, scheint im Erwachsenenalter nicht aufzuhören. Aus den Augen, aus dem Sinn. So wie Kinder glauben, dass man sie nicht sieht, wenn sie die Augen zumachen. Meine Mutter hätte gesagt: „Das Haus verliert nichts.“ Und selbst wenn wir die Müllhalde auf den Mars ausweiten …
Tote Künstler.
Hans Staudacher und Arik Brauer sind tot. Jeder auf seine Art herausragende Künstler. Und beide alt geworden. Schön.